Geschichtsstunde

Ein großer Sohn der Hocheifel

(Erzbischof Graf Heinrich von Virneburg)

Beim Aufstieg zur Kirche in Retterath, an der Kapelle zu Oberelz und in manch anderen Gotteshäusern unserer Gegend grüßt uns ein Wappenschild mit sieben roten Rauten, je vier und drei zusammen: das Wappen derer von Virneburg. Die Grafen von Virneburg, benannt nach ihrer Stammburg, die heute als malerische Ruine hoch auf steilen Felsen das gleichnamige Dorf im Nitztal überragt, gehörten seit dem 11. Jahrhundert zu den angesehensten Rittergeschlechtern der Eifel. In dem entscheidenden Kampf um die territoriale Vorherrschaft am Niederrhein standen sie, als Verwandte der Jülicher und Klever Grafen, auf Seiten des Herzogs von Brabant, und an der Schlacht bei Worringen- am 5. Juni 1288- nahmen Graf Heinrich von Virneburg und seine beiden ältesten Söhne Ruprecht und Heinrich teil. Dieser jüngere Heinrich trat bald nach dem blutigem Tage von Worringen in den geistlichen Stand, stieg zu hohen Würden auf und wurde im Jahr 1306 Erzbischof und Kurfürst von Köln. Als solcher erwarb er sich einen Ehrenplatz unter den Kölner Kirchenfürsten durch seinen beispiellosen Eifer für den Weiterbau des Kölner Doms.

Am 15. August 1248 hatte Erzbischof Konrad von Hochstaden den Grundstein zu einem neuen, dem heutigen Dom gelegt. Er sollte nicht einfach den alten Dom ersetzen, sondern etwas ganz Neues und bisher Unerreichtes an Größe und Reichtum werden. So forderte es das Ansehen der Kölner Kirche und vor allem auch die hohe Wertschätzung der heiligen drei Könige, deren Gebeine damals schon in ihrem heute noch erhaltenen kostbaren Schrein ruhten. Nun hatten aber die Kölner Erzbischofe infolge ihrer ständigen Fehden mit Kölner Bürgerschaft schon in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ihren Wohnsitz von Köln fortgelegt, unnächst nach Bonn. Das war ihrem Eifer für den Weiterbau des Domes durchaus abträglich. Auch die Regierungszeit Heinrichs von Virneburg ist erfüllt von fortwährenden Kämpfen mit benachbarten Landesfürsten und der Stadt Köln. Um so erstaunlicher ist die Tatsache, das der Dombau unter ihm am weitesten fortschritt. In allen neueren Werken über den Dom wird Heinrich der eifrigste und stärkste Förderer des Dombaues unter allen Erzbischöfen, ja geradezu „der zweite Gründer des Domes genannt. Welche freudigstolze Genugtuung mag damals sein Herz erfüllt haben, als er am 27. September 1322, umgeben von vielen Bischöfen und Prälaten, das schon 1320 vollendete Chor des Domes feierlich einweihen konnte! Zugleich wurden damals die Gebeine der heiligen drei Könige in ihrem herrlichen Schrein in das Chor übertragen. Wir dürfen annehmen, dass an diesem festlichen Tage der Chorweihe nicht nur der äußere Bau, sondern auch die innere Ausschmückung des Chores im wesentlichen vollzogen war. Und dazu rechnen wir vor allem die wundervollen Glasfenster im Hochchor in den sieben Kapellen. Heute noch wird das Auge des Dombesuchers, der durch eines der fünf Westportale eingetreten und zum Mittelschiff vorgeschritten ist, wie mit magischer Gewalt durch den schier unendlich weiten dunklen Raum auf den köstlich leuchtenden Farbenteppich der Chorfenstergeleitet. Und hat das Chor selbst uns aufgenommen, dann erkennen wir hoch oben im abschließenden Bogen des gewaltigen Mittelfensters das Wappen der sieben Rauten von Virneburg, wie es aus dem blauen Mittelgrund der fünfblättrigen Rose, umgeben von Roten Zwiebeln, uns entgegenglänzt. Das Wappen eines Eifeler Grafengeschlechtes krönt das Hauptfenster des Domes! Fürwahr, ein würdiger Platz für das Zeichen des edlen Stifters!

Außer diesem Mittelfenster im Obergaden stiftete Erzbischof Heinrich auch das Jakobusfenster in der Johanneskapelle. Es enthält im treppenförmigen Sockel zweimal das Virneburger Wappen.

Als weiteren Schmuck des Hochchores, wie er am Weihetage 1322 sicherlich vollendet war, müssen wir die farbig gefassten Standbilder des Heilandes, der Mutergottes und der zwölf Apostel an den Chorpfeilern nennen. Aus weichem Eifeltuff gestaltet, gehören sie „zum Adeligsten, was die deutsche Plastik des Mittelalters geschaffen hat”. Gleich hohes Lob zollt die Kunstgeschichte dem reichgeschnitzten Chorgestühl und den Malereien auf seinen Rückwänden. So konnte Erzbischof Heinrich den von den Meistern aller Künste in erhabener Harmonie gestalteten Chorbau zur vorläufigen Kathedrale seines Erzbistums bestimmen. Durch eine hohe Mauer wurde er nach Westen abgeschlossen, und niemand hat damals geahnt, dass sie volle fünf Jahrhunderte würde stehen bleiben.

Außer den Reliquien der Heiligen Drei Könige ließ der Erzbischof auch die sterblichen Reste seiner Vorgänger, die im alten Dom schon beigesetzt waren, in das neue Chor überführen. So bewundern wir heute noch die prächtigen Grabmäler der Erzbischöfe Gero, Phillip von Heinsberg, Engelbert des Heiligen und Konrad von Hochstaden. Vergebens aber suchen wir das Grabmal des großen Virneburgers. Ihm, dem begeistertem Förderer des Dombaues, versagte ein widriges Geschick den verdienten Ehrenplatz in seinem Dome. Er starb1322 in Bonn und wurde im dortigen Münster beigesetzt. Die ursprüngliche Gruft, ausgemauert und mit noch erhaltenen Malereien geschmückt, fand man 1930 leer vor. Die Gebeine sollen im 18. Jahrhundert erhoben und an anderer Stelle in Münster wieder beigesetzt worden sein. Sie sind seitdem verschollen Das Landesmuseum in Bonn bewahrt sein Bild, eine gleichzeitige Wiedergabe der Sage. Marienstätter Tafel: Der Erzbischof sitzt auf dem bischöflichen Stuhl im Ornat seines Amtes, die linke Hand erhoben. Das Gesicht ist mit einem eigenwilligen, energischen Zug leicht zur Seite gewendet ;eine kraftvolle, im Grunde seines Wesens adelige Persönlichkeit. Unser Eifelland darf ihn mit berechtigtem Stolz zu seinen großen Söhnen zählen.

Otto Meyer (aus: Heimat zwischen Rhein und Mosel, Verlag Louis Schreder, Mayen)

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